Samstag, 16. Mai 2015

Pias Limericks

Es war mal ein Kater aus Linz,
der führte sich auf wie ein Prinz.
Zwar fehlte sein Schwanz,
auch die Ohr’n war’n nicht ganz,
trotzdem sah er sehr cool aus in Jeans.


Es war mal ein vornehmer Bilch,
der trank stets nur Liebfrauenmilch.
Er rief:“Dieser Wein
ist unheimlich fein!
Wer anders denkt, ist nur ein Knilch.“


’Nem Dichter aus Bingen am Rhein,
dem fiel überhaupt nichts mehr ein.
Er rief: „Dieser Landstrich
ist viel zu romantisch!
Ich zieh’ jetzt nach Frankfurt an der Oder!“

Es war mal ein Löwe im Zoo,
der fragte sich täglich: „Wieso
werd’ ich ständig beglotzt?
Wie mich das ankotzt!
Ich zeig’ jetzt nur noch meinen Po!“


Eine Richterin wohnt in Erlangen –
sehr hübsch und mit rosigen Wangen.
Doch will von den Mackern
sie einer anbaggern,
dann sagt sie nur: „Ich bin befangen...“


Ein Nachtwächter aus der Stadt Trier
macht Rundgänge bis früh um vier.
Er sucht nach den Wichten,
 die Böses anrichten –
und auch nach Graffiti-Geschmier.


Es baute ein Tüftler aus Halle
die weltbeste Fruchtfliegenfalle.
Er lauert bis heute
auf üppige Beute
und murmelt: „Ich kriege euch alle!“

Ein Firmenchef wollt’ in Kaufbeuren[1]
die Chefsekretärin gern feuern.
Er fand sie nicht gut,
doch sie – voller Wut –
ging hin, um ihm eine zu scheuern.


Der Herr Johann Wolfgang von Goethe
geriet oft in recht arge Nöte.
Denn wenn Frau von Stein
ihn lud zu sich ein,
dann spielte sie grauenhaft Flöte.


Ein rüstiger Pfarrer aus Stade
fand Trauungen stets viel zu fade.
Doch seit einem Jahr
tanzt er vorm Altar
und wirft auf die Braut Schokolade.




[1] sprich „Kaufbeuern“ (für Nicht-Allgäuer...)


Freitag, 1. Mai 2015

Die Sache mit dem Teppich

Dass diese Sache noch irgendwie glimpflich ausgehen würde, habe ich selbst nicht mehr geglaubt. Im Gegenteil, sie entwickelte sich zu einer handfesten Ehekrise. Dabei war meine Idee grandios: ich wollte Jörg, meinen Mann, mit einem neuen Teppichboden im Esszimmer überraschen. Der alte sah inzwischen scheußlich aus und Jörg hatte das grüne Karomuster nie gemocht. Zwar bin ich handwerklich eher mäßig begabt, aber mein alter Schulfreund Ronny, Heimwerker von Gottes Gnaden, würde mir helfen. Jörg war auf Montage; wenn er heimkam, sollte er staunen. Stolz blickte ich auf die Teppichrolle, die vor zwei Stunden geliefert worden war: ein zartbeiger, weicher Traum – die perfekte Ergänzung zu den Esszimmermöbeln. Die hätte ich zwar auch gerne ersetzt – wer mag heute schon noch Eiche rustikal – aber Jörg ist ein sparsamer Mann. Alles kann man eben nicht haben.
Ronny und ich arbeiteten hart: Möbel abbauen, Boden auslegen, straffen, schneiden, kleben, einen Tag ruhen lassen, Möbel wieder aufbauen; schweißtreibend, aber schließlich war es geschafft. Zum Schluss trugen wir Tisch und Stühle hinein, lümmelten uns in die Sitzmöbel und legten die Füße hoch. Ich hatte Tequila besorgt, das Getränk unserer Jugend. Wir prosteten uns zu. Nach dem dritten Glas kramte ich nach meinen Zigaretten – bei Todesstrafe verboten in der Wohnung, aber Jörg war schließlich nicht da. Ronny sah mich scheel an. Ich genoss genau drei Züge, dann fiel Glut auf den Teppichboden. Das Loch, schwarz, daumennagelgroß, starrte mich an. Ich starrte zurück; es wuchs, je länger ich starrte. Ronny drückte meine Zigarette aus.
-    Oh, je, sagte er und starrte auch. Aber das haben wir gleich.  Die Worte klangen etwas  verwaschen.    -   Ich schneide es aus, dann hat es gerade Ränder.
Danach starrte mich ein sieben-Zentimeter-Kantenlänge-Loch an. Als ich zurückstarrte, verdoppelte es sich. Ich schaute weg. Ronny schnitt ein passendes Quadrat aus dem Teppichrest und verklebte das Loch. Dann schwankte er nach Hause.
Am nächsten Morgen gähnte mich wieder das Loch an;  Hoppel und Moppel, unsere Pflegekaninchen von Lehmanns gegenüber, saßen zufrieden daneben, zwischen ihnen die nun etwas fransige Füllung. Ich hatte wohl vergessen, die Badezimmertür zu schließen. Schwitzend versuchte ich es nochmal mit kleben, aber nun sah man die Ränder und in meiner Verzweiflung – Jörg würde heute Abend zurückkommen – stellte ich die Wasserschüssel der Kaninchen auf die Stelle. Gut – das konnte gehen. Vielleicht setzte sich das Quadrat je noch etwas und würde dann nicht mehr so auffallen.
Abends hatte ich den Esstisch festlich gedeckt mit Kerzen und frischen Blumen, aus der Küche duftete es nach Lasagne, der Wein funkelte in der geöffneten Flasche. Ich trug Jörgs Lieblingskleid. Er begrüßte mich liebevoll, betrat mit staunenden Augen das Esszimmer und trat in die Wasserschüssel. Er fluchte und ich rannte nach einem Handtuch, rubbelte und bedeckte schließlich damit das Quadrat. Leider löste es sich am nächsten Tag wieder – der Kleber war wohl noch nicht fest gewesen – und Jörg drohte, den Handwerker zu verklagen. Also musste ich beichten und der Haussegen fing an sich zu neigen. Ich stellte die Schüssel wieder auf, aber die Kaninchen glaubten wohl an eine Fußbadewanne und hinterließen  gut sichtbare Spuren in Esszimmer und Diele. Außerdem stolperten Jörg und ich abwechselnd darüber, weil fünfzehn Jahre dort nichts gestanden war und jetzt plötzlich etwas stand. Schließlich kamen Lehmanns von ihrem Auslandsaufenthalt zurück, holten Hoppel und Moppel  und die Wasserschale ab und ließen uns mit der sieben-Zentimeter-Schande allein. Wir dachten an eine dekorative Bodenvase, aber dann fing die Stelle an zu schimmeln und Jörg fluchte wieder. Er hatte gepetzt und die vernichtenden Blicke aller Nichtraucher trafen mich, sobald das Thema darauf kam.
Der Haussegen neigte sich weiter, als Ronny, der die Stelle – diesmal ohne Tequila – ausbessern sollte, feststellte, dass sich die Feuchtigkeit über mehrere Quadratmeter gezogen hatte und mit ihr der Schimmel. Ich wollte für die Stellen Teppichfliesen in Kontrastfarben vorschlagen, schwieg aber nach einem Blick auf Jörgs Miene. Zähneknirschend (er) und kleinlaut (ich) ersetzten wir nach einem Jahr den Esszimmerboden und Jörg entschied sich für einen pflegeleichten PVC-Belag in einem unbeschreiblichen blassen, gelbstichigigen Mittelbraun. Später stellte sich heraus, dass Jörg an einer leichten Form von Farbenblindheit leidet, aber damals wagte ich nicht zu widersprechen, und bei Tageslicht, so hoffte ich, würde der Boden vielleicht  auch besser aussehen. Neonlicht verdirbt schließlich alles. Das weiß jeder, der schon mal in einer Umkleidekabine in den Spiegel geschaut hat.
 Das Tageslicht betonte dann etwas den Gelbstich im Mittelbraun, und das zu Eiche rustikal! Ich weiß ja nicht, ob ich mir das nur einbilde, aber es kommt mir so vor, als würden unsere Gäste seitdem lieber im Wohnzimmer sitzen. Die Sache kippte, als Jörgs bester Kumpel nach einem verlorenen Club-Heimspiel – vermutlich weil da eh schon alles wurscht war – sagte, zum Kotzen gehe er ins Esszimmer, da fiele es nicht auf. Jörg war wochenlang beleidigt und sah beim Essen immer betont geradeaus, damit er nur ja nicht versehentlich auf den Boden schaute.
Immerhin, jetzt sind wir quitt und meine Chancen steigen, dass die Möbel ausgetauscht werden. Schwarzen Lack könnte ich mir gut vorstellen, vielleicht mit großen Quadraten in Kontrastfarben, das lenkt ab.

19.04.15
Sonja Meier

Am Anfang vom Ende war das Wort

Wieder einmal brach im Garten Eden ein perfekter Tag an. Eva erhob sich von dem weichen Graspolster unter dem duftenden Strauch, wo Adam und sie immer schliefen, und blinzelte in die Morgensonne. Adam hatte bereits für sie beide zum Frühstück einige Früchte gepflückt, die wie immer köstlich schmeckten. Danach stand Adam auf und sagte: „Liebling, ich muss los! Bin mit der Namensgebung noch nicht ganz durch. Zur Zeit sind alle Tiere mit sechs oder mehr Beinen dran. Hast du irgendeinen Vorschlag für diese bunten, staubigen Flatterdinger, die hier so herumschwirren? Ich schwanke noch zwischen Flugstäubling und Klappflügler...“
Aber Eva war es egal. Seit das zu benennende Viehzeug und die Pflänzchen immer kleiner und differenzierter wurden, überließ sie diese langwierige Aufgabe meist Adam, dem es Spaß machte, sich Wörter wie „Maulwurfsgrille“ oder „Grottenolm“ auszudenken.
Eva ließ ihren Mann ziehen und schlenderte gemächlich in eine andere Richtung. Sie sog den Duft ihrer Lieblingsblumen ein. Der Name „Rose“ stammte von ihr, und sie war sehr stolz darauf. Adam hatte „Duftstachel“ vorgeschlagen, aber Eva war ausnahmsweise hart geblieben.
Nachdem sie eine Weile nur so zum Spaß durch einen freundlich plätschernden Bach gewatet war, lenkte sie ihre Schritte in die Mitte des Gartens. Dort stand auf einer kleinen Anhöhe ein einzelner Baum mit sattgrünem Laub und gelb-rot schimmernden Früchten. Eva tauchte unter einem herabhängenden Ast durch und näherte sich dem Stamm. „Ich bin es“, rief sie, „bist du da?“ Zunächst geschah nichts, doch dann raschelte es in den oberen Zweigen. Etwas langes, Glänzendes glitt wie eine Ölspur um Äste und Stamm.
„Ich habe gerade ein Sonnenbad genommen“, zischelte die Schlange, „ist heute nicht ein herrlicher Tag?“
„Ja... wie immer“, antwortete Eva.
-„Du kommst in letzter Zeit ziemlich häufig, hast du denn nichts anderes zu tun?“
-„Doch... mir die Erde untertan machen... mich ... furchtbar vermehren, oder so. Ich weiß gar nicht, wie das geht.“
-„Kommt Zeit, kommt Rat. Aber warum besuchst du mich eigentlich immer allein? Will dein Mann dich nicht mal begleiten?“
-„Ach, Adam... der ist immer beschäftigt. Außerdem kommt er nicht gern hierher.“
-„ Wieso das denn?“
-„Na, du weißt schon. Weil ER gesagt hat, dass wir von diesem Baum nichts essen dürfen. Seitdem hält Adam lieber einen Sicherheitsabstand ein. Aber ER hat mir schließlich nicht verboten, mit dir zu sprechen.“
-„Nein, das hat er nicht“, kicherte die Schlange. „Aber du solltest dich langsam auf den Rückweg machen. Dein Mann wird dich vermissen.“
„Vielleicht“, meinte Eva zögernd.
-„Ganz bestimmt! Er liebt dich doch, oder?“
-„Ja, natürlich!“
-„Und liebst du ihn?“
„Natürlich!“ rief Eva und lachte ein wenig, „wen denn sonst?“
„Und warum?“ fragte die Schlange und musterte Eva aufmerksam.
Diese stotterte: „Wa... warum? Das habe ich mich noch nie gefragt! Brauche ich denn einen Grund?“
„Nein, nicht unbedingt“, meinte die Schlange gedehnt. „Aber vielleicht liebst du ihn ja besonders wegen seiner blauen Augen oder seiner goldbraunen Locken?“
-„Äh... wie sollten die denn sonst sein?“ Eva war verwirrt.
-„Na ja, schwarz und glatt vielleicht. Oder rot.“
„Äh...“ sagte Eva und blinzelte ein paar Mal. „Ich gehe jetzt.“
„Ja, ja, nur zu! War nett, mit dir zu plaudern!“ rief die Schlange munter und verschwand im Blattwerk.


Pia Winkler