Bauarbeiter der digitalen Welt
Stuttgart (Deutschland): Gabriele ist Anfang 50,
Hausfrau und neuen Dingen gegenüber nur bedingt aufgeschlossen, aber nachdem
die Nachbarin so geschwärmt hat, hat auch Gabriele eine intelligente
Waschmaschine!
Gabriele kniet vor der
Waschmaschine, schaut in die Trommel, zieht dann das Flusensieb heraus und
steckt es wieder hinein.
Gabriele: Brav
hast du gewaschen, ist ja alles sauber geworden. Bitte entferne jetzt die
Flusen.
Kuala Lumpur (Malaysia): Musa, 40, hat eine
Zeit lang Deutsch studiert. Er hat viele Jobs, unterrichtet z. B. malaysische Schönheitschirurgen,
die in Deutschland Fuß fassen wollen oder bessert sein schmales Einkommen mit
einem Nebenjob für Google als Artificial Intelligence (AI) Enabler auf. Er
beantwortet online Kunden-Anfragen, die das System noch nicht kennt und
speichert sie in der Datenbank.
Im Moment sitzt Musa vor seinem Computer, hat Kopfhörer auf
und beobachtet am Bildschirm Gabriele, vor allem ihren Ausschnitt. Er ist müde,
aber Gabriele gefällt ihm. Die Aufforderung ‚Bitte entferne die Flusen‘ kennt
das System nicht, also ist er an der Reihe.
Er googelt das Wort ‚Flusen: Substantiv, feminin, steht für
Fädchen… daraus kann er sich keinen Reim machen. Vielleicht hat er sich ja
verhört, also antwortet er mit einem Wort, das er kennt: Busen, Substantiv,
maskulin, der Busen.
Musa tippt die Antwort ein und der Sprachcomputer sagt zu
Gabriele
‚Ich kann den Busen nicht entfernen‘
Gabriele weiß, dass ihre neue Waschmaschine mit KI, also
künstlicher Intelligenz, ausgestattet ist. Sie weiß nichts von der Kamera und
den Mikrophonen und hätte es ihr jemand erzählt, so hätte sie gelacht und von
fake News gesprochen.
Gabriele: HÄ?
Musa korrigiert:
Der Busen ist nicht zu entfernen.
Gabriele: Wieso
Busen? Was geht dich mein Busen an?
Musa: Was genau
wüscht Du? Möchtest Du deinen Busen entfernen?
Gabriele hat einen üppigen Busen und hat schon manchmal
darüber nachgedacht, sich etwas ‚machen zu lassen‘. Sie vergisst das Flusensieb
und lässt sich auf die neue Konversation ein.
Gabriele: Was ist
denn falsch an meinem Busen? Er passt doch ganz gut.
Musa findet das auch, aber nun hat er schon mal
angefangen, darüber zu sprechen.
Musa: Ja, er passt schon, aber ich kenne einen
Schönheitschirurgen, Abud bin Marambu, der wohnt auch in Stuttgart, eine
Koryphäe in Sachen Busen. Der könnte ihn dir noch passender machen, vielleicht
ein bisschen anheben, dann schaust Du noch jünger aus.
Gabriele: Wieso anheben, ich dachte eher an
verkleinern.
Musa: Nein, nicht verkleinern, wenn, dann nur etwas
straffen, etwas anheben.
Gabriele: Was heißt straffen, meinst Du etwa, dass
mein Busen hängt? Der hängt doch nicht! Obwohl, doch, der hängt, aber woher weißt
Du das denn? Du Waschmaschine, Du?
Gabriele merkt, wie absurd die Situation ist. Sie spricht
mit der Waschmaschine über ihren Busen! Sie steht auf, murmelt ein ‚Ach leck
mich doch‘ und geht in die Küche, um das Abendessen zu kochen.
Am anderen Tag googelt sie Schönheitschirurgen in Stuttgart
und findet den exotischen Namen Abud bin Marambu.
Auf Musas Konto gehen Zahlungen aus Stuttgart ein mit einem
Dankesschreiben von Abud.
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