Montag, 17. Juni 2019

Apfelbäume


„Die Apfelbäume tragen zu viel“, sagte meine Mutter. „Wir ersticken in Äpfeln. Kein Mensch kann das essen.“ Sie klagte ihr Leid dem Gärtner, der nickte verständig und schnitt die Bäume zurück. Richtig weit zurück, vergleichbar vielleicht mit einem Bürstenhaarschnitt. Nun trugen sie ernste Gesichter. Der Nachbar kam und lobte die Form: „Wunderbar! Ein Kunstwerk! Ein Vergnügen, die Bäume anzusehen.“ Er bleibe oft am Zaun stehen und schaue sie nur an.
Die Bäume trieben aus, die Witterung in dem Jahr war günstig, sie wuchsen zu rundkronigen, grünen Schönheiten heran, die eine überschaubare Ernte lieferten. Meine Mutter war zufrieden. Sie behielt den Gärtner, bis der seine Preise im Laufe der Jahre so weit erhöht hatte, dass sie erwog, die Bäume fällen zu lassen, um die Kosten zu sparen, und sich schließlich zu einem anderen Gärtner überreden ließ. Der war nicht nur deutlich preiswerter, er schnitt die Bäume auch anders. Die Äste blieben, nur den einen oder anderen kürzte er oder entfernte ihn ganz, wenn er krank war. Etliche der Wassertriebe blieben stehen. Irgendwie sahen die Bäume unordentlich aus, schlecht frisiert, sozusagen. Meine Mutter meinte spitz: „Na ja, war ja auch viel billiger.“ Der Nachbar stand am Zaun und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, schwieg aber taktvoll. Er blieb nicht mehr stehen, nur um zu schauen. Die Bäume trieben aus, wurden üppig, die langen Triebe hingen tief, trugen reichlich Frucht. Wir stützten, wo wir konnten und aßen uns durch die Apfelberge.
Im nächsten Jahr kam der Gärtner wieder – er war ja preiswert – und schnitt erneut nach seiner Art. Ich fragte ihn.
„Die Krone des Baumes muss seinem Wurzelgeflecht entsprechen. Diese Bäume sind alt, sie haben weite Wurzeln. Wenn wieder genug Krone da ist, kann ich auch die Wassertriebe entfernen…nächstes Jahr vielleicht.“
Die Bäume sahen obenherum wieder etwas wirr aus; sie trugen, was sie tragen wollten. Aber seitdem lächeln die Bäume wieder.


3x Apfelblüte, lyrisch:

Apfelblütenträume,
Rosig angehauchte Schäume,
Schweben zwischen Grün und Blau,
Hingetupft, so kitschig-schön,
Dass ich selbst wie sie erröte.


Apfelblütenträume,
Über saftig grüner Weide,
Und im blumenbunten Gras
Zufrieden eine Pferdeherde,
Die sich auf die Ernte freut.


Rosig angehauchte Wolken
Schweben zwischen Grün und Blau,
Wiegen federn sich im Wind,
Widerstehen noch zwei Tage,
Treiben leicht, wie Träume sind,
Blasser werdend, hin zur Erde.
Und nur ein schmutzig-weißer Schaum
Erinnert an den Blütentraum.

Sonja Meier
17.03.19


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