Dienstag, 18. Juni 2013

Herzklau

Ich fliege, ich schwebe. Welten rauschen an mir vorbei. Sonne, Mond und Sterne. Dabei fliegen nicht sie, sondern ich.
Kleine, goldene Punkte aus dem Nichts, aus dem All, aus der Unendlichkeit. Wachsen. Wachsen. Größer. Schneller – Husch vorbei. Hier, da, hin und weg. Bin ich. Meine Augen blinzeln.

Ich kenne das Bild vom Bildschirmschoner. Sterne entstehen und vergehen. In der Mitte, in der rechten, in der Linken Ecke des 24ig Zollers, der Unendlichkeit. Anfang und Ende. Wo fängt es an, wo hört es auf. Husch und schon vorbei, mit Lichtgeschwindigkeit.

Ich schaue hinaus, zurück. Egal aus welchem Bullauge ich aus meiner Kapsel hinaus glotze. Wie der Bulle auf der Wiese. Glotz. Glotz. Kau, Kau. Ich kann ihn nicht finden, meinen Heimatstern. Weg, zu weit weg bin ich.
Schwerelos bin ich hier drin. Leicht, so leicht. Mein Körper schwebt, doch mein Herz ist schwer, so schwer wie die gewichtigen Sterne um mich herum. Angestrahlt von der Sonne, reflektiert vom Mond.
Wie war das mit dem Brechungsindex, schießt es mir durch den Kopf? Hier bricht nix! Oh Gott mir wird schlecht. Will nicht brechen, nicht abbrechen.
Weiter, weiter durch die Milchstraßen ohne Kühe, ohne grün.
Nur schwarzweiß, hell dunkel.
Hin und weg.
Kein Tag, keine Nacht.
Orientierungslos.
Ich brauch was Festes. Festen Boden unter den Füßen. Festes Essen. Suche das Firmament ab. Da, ne grünblaue Kugel mit zwei Monden, 2 Sonnen, lächelt mich an.

Zoom mich hin, dock mich an. Erdanziehung greift, Kompression läuft, werde 3G schwerer, kleiner, fester, enger.
Willkommen im Körper! Gelandet, gestrandet.
Verdammter Traum, nicht auf dem Berg! Liege ihm zu Füßen. Rappel mich auf. Körper funktioniere! Wie mühsam.
Beschwer dich nicht. Du wolltest es so.
Rappel mich auf. Um mich Wald, regennasser Wald. Nass die Stufen. Beine go. Stufe um Stufe in Fels gehauen. Bedeckt mit Erde. Blätter ölig, faulig. Eng und dunkel ist es hier. Lunge pumpt. Herz pocht. Tock. Tock. Tock. Weiter in klammer Enge. Lichtpunkt oben, da oben. Felsen und Grün statt matschiger Blätter und Fäulnis.
Stehen bleiben in Sonne, in Licht. Stillstand. Nur Äußerlich und doch Stille. Ohr links brumm, rausch. Ohr rechts summ, kling. Eine Biene, tatsächlich eine Biene. Weit weg ein Motor im Leerlauf. Leerstand. Sinn hier, Sinn da, sinnlos.
Nichts außer dem Pochen meines Herzens. Es pocht, stolpert, hüpft hinaus, stolpert, fällt vom Felsen. Freier Fall. Weg.
Ich bleibe oben auf dem Berg. Es pocht in mir, ohne mein Herz, wie herzlos…
Es plumst in die Schubkarre mit dem roten Griff. Kollert hin und her, kommt zur Ruhe, pocht vor sich hin.

Da kommt ER wider Zeit noch Raum aus dem Nichts. Was macht er hier? Nimmt die Schubkarre und schiebt sie weg im Sauseschritt. Und ich steh hier oben in 3G ohne Herz. So schwer. Herzklau.
Wächst so etwas nach, kommt es wieder? Kommt ER wieder? Will nach Hause. Will ich das? Mein Heimatstern, den gibt’s nicht mehr. Was will ich hier?

Erdenschwere loslassen, losmachen. Beam mich weg. Beam mich hin, in meine Kapsel, im Nirgendwo. Tschüss Josefstern. Mittendrin zwischen den Welten.
Mir ist wieder leicht und gar nicht schwer. Lass außen alles an mir vorbei ziehen. Nur beobachten, nichts verändern, nichts anfassen.

Poch, poch. Der Raum um mich wird hell und bunt. Da ist es wieder bei mir, mein Herz. Ich verschenks an meine Seele. Höhenflug, ich bin so frei. Ausruhen darf ich mich jetzt...

© Frauke Gunkelberg, Foto Akire

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